Nachhaltige Wasserlösung: Pflanzen reinigen das Abwasser der Klinik
Das Wasser- und Abwassermanagement stellt in Äthiopien eine Herausforderung dar. Viele Regionen Äthiopiens sind von Wasserknappheit betroffen. Andere Regionen kämpfen mit ständig steigenden Regenfälle und die damit verbundene Erosion. Nur 42% der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Seen im ostafrikanischen Grabenbruch sind – ähnlich dem Neusiedlersee – ohne Abfluss und regeln ihren Pegel durch Regenzulauf und Verdunstung. Der Regen löst Fluoride aus dem Erdreich und reichert das Wasser mit diesem ungewollten Element an. Auch im Grundwasser rund um den See findet man die Fluoride und andere unerwünschte Elemente.
Um die Wasserversorgung des Klinikkomplexes möglichst nachhaltig sicherzustellen und das Grundwasser nicht durch das entstandene Abwasser zu beeinträchtigen, werden innovative Möglichkeiten umgesetzt. Die Wasserversorgung sowie deren Entsorgung auf dem Gelände der Mutter-Kind-Spezialklinik in Bushulo ist daher vielfältig. Neben der öffentlichen Hauptwasserleitung aus der nahen Gebirgsregion (sauberes Quellwasser), welche das Wasser für das Trinkwassernetz liefert, versorgen zusätzliche Wasserkreisläufe die Mutter-Kind-Klinik:
Trinkwassernetz: In den Gebäuden sowie auf dem Gelände gibt es speziell gekennzeichnete Trinkwasserhähne.
Brunnenwasser: Das stark durch natürliche Fluoride belastete Grundwasser wird als Prozesswasser in der Wäscherei, WC Spülungen und Waschbecken genutzt. Zusätzlich findet das Brunnenwasser für die Feuerlöschleitungen Verwendung.
Regenwasser: Die Region rund um die Klinik hat zwei Regenperioden. Regenwasser – als chemisch unbelastetes Wasser – wird durch geringen technischen Aufwand für spezielle Anwendungen verwendet. So wird Regenwasser durch Filter, UV Bestrahlung und eine Umkehr-Osmose Anlage für die Sterilisatoren, Instrumentenwäscher und zur Dampferzeugung aufbereitet. Die Regenwassersammlung erfolgt über die großen Dachflächen des Spitals. Das genutzte Tankvolumen ist ca. 100m³
Pflanzenkläranlage: Alle Abwässer des Zentrums werden in Abwasserleitungen gesammelt und in einer biologischen Kläranlage gereinigt. Das gereinigte Abwasser wird zu einem Großteil für die Bewässerung der Sträucher und Bäume verwendet. Spezielle Toiletten für die Besucher – sogenannte „single flush toilets“ – werden mit dem gereinigten Abwasser zyklisch gespült.
Mehrere solare Warmwassersysteme sind in der Klinik eingebaut. Das größte System befindet sich in der Wäscherei: 1000 Liter Wasser in einem Edelstahltank werden durch vier „Direkt PV Heizstäbe“ der österreichischen Firma MyPV täglich auf 60 bis 70°C aufgeheizt. Das warme Wasser wird den Waschmaschinen während des Waschprozesses zugeführt und erspart dadurch Energie und Waschzeiten. Die Heizstäbe arbeiten im optimierten (MPPT) Bereich und liefern selbst während der Regentage ausreichend Energie. Jeder Heizstab ist direkt an sieben PV Module angeschlossen. Es gibt keine Versorgung aus dem elektrischen Netz.
Die Duschen und Waschbecken der Geburtenstation sowie der Patientenzimmer verwenden dezentrale, solare Warmwassersysteme (Solcrafte GreenOneTec; Kapazität 150 l je System). Durch die Nutzung der Sonnenenergie kann viel elektrische Energie eingespart werden.
Abwasser - eine Herausforderung
Große regionale Städte in Äthiopien verfügen weder über Kanalisationssysteme noch über Kläranlagen. Auch die Klinik in Bushulo ist an keine öffentliche Kanalisation angeschlossen. Die Entsorgung menschlicher Fäkalien bleibt nach wie vor eine private Angelegenheit. Standard sind nach unten offene Latrinen, Spültoiletten mit einer „soak-away“- Grube, und im städtischen Bereich oftmals auch kleine Klärgruben mit Überlauf – jedoch führt dies zur Verunreinigung des Grundwassers, das für viele Menschen das Trinkwasser ist.
In Bushulo wurde besonders auf die Ökologie und den Grundwasserspiegel Rücksicht genommen. Es ist wichtig, die Art der Toiletten an die Nutzer anzupassen. So findet man im Ambulanzbereich – wo besonders viele Frauen und Kinder aus den umliegenden ärmeren Dörfern kommen – sogenannte Single-Flush-Toiletten. In den Patientenzimmern des Krankenhauses wurden hochwertige, wassersparende Spültoiletten eingebaut. Der Unterschied: Single-Flush-Toiletten sind wie normale Pit-Latrinen zu benutzen, aber ein regelmäßiger Wasserstrahl (Flush) reinigt in einem Moment sämtliche Latrinenböden. Das verwendete Wasser kommt gereinigt aus der Kläranlage, es wird weder Brunnenwasser noch Trinkwasser für die Single-Flush-Toiletten genutzt. Dies spart erheblich Trinkwasser und nutzt das Abwasser der Kläranlage.
Für die Spültoiletten verwenden wir Brunnenwasser. Alle Toiletten wurden zudem mit wassersparenden Systemen ausgestattet. Das gesamte Abwasser wird zentral gesammelt und der biologischen Pflanzenkläranlage zugeführt. Diese bereitet das Abwasser auf eine innovative Weise auf – die Pflanzenkläranlage auf der Nordseite des Klinikgeländes ermöglicht eine nachhaltige Reinigung. Die Vorteile sind offensichtlich: Das Wasser wird ohne den Einsatz von Chemikalien gereinigt, das Grundwasser wird nicht verschmutzt und das geklärte Wasser kann auf dem Gelände weiterverwendet werden. Doch wie genau funktioniert so eine Pflanzenkläranlage eigentlich?
Die Pflanzenkläranlage
Die Reinigung des Wassers erfolgt in zwei Hauptstufen: der mechanischen Vorreinigung und der biologischen Reinigung durch die Pflanzen.
Das Abwasser wird in die Dreikammergrube geleitet, die aus Stahlbeton gefertigt ist. Am Einlauf der ersten Kammer befindet sich ein Rechen, an dem sich meist große Kunststoffteile sammeln. Die werden entfernt und im Hochtemperaturofen verbrannt. Das Abwasser in der ersten Kammer teilt sich in Schwimmschlamm, absetzbaren Schlamm und trübes Abwasser auf. Das Wasser der ersten Kammer wird durch Tauchrohre in die zweite Kammer weitergeleitet. Auch dort findet ein ähnlicher Prozess des Schlammabsetzens statt wie in der ersten Kammer; und genauso in der dritten Kammer. Das bedeutet, nach der dritten Kammer sind die meisten Schwebstoffe und Feststoffe vom Abwasser getrennt, jedoch ist das Abwasser noch immer stark mit Nährstoffen belastet. Der Überlauf der dritten Kammer läuft in einen Pumpenschacht.
Mit Hilfe einer Abwasserpumpe wird nun das Abwasser (ohne Feststoffe) großflächig auf zwei Sandfiltersysteme (constructed wetland systems - CWS) aufgesprüht. Auf dem Grund des Beckens befindet sich eine lokal hergestellte High-Density-Polyethylene-Folie, die die unkontrollierte Versickerung des Wassers in den Boden verhindert. Auf dieser Folie liegt ein durchlässiges Filtersubtrat – Schotter und gesiebter Sand aus dem Fluss. Darüber wurde Elefantengrass gepflanzt, dessen Wurzeln den Sand auflockern und die dort angesiedelten Mikroorganismen mit Sauerstoff versorgen. Die Mikroorganismen bauen in Zusammenarbeit mit den Pflanzen zahlreiche organische Substanzen ab und reinigen so das Wasser. Im Drainagerohr sammelt sich das gereinigte Wasser und wird von dort aus zum Ablauf geleitet. Das gereinigte Wasser wird von einer Pumpe in einen Tank gepumpt und zur Bewässerung von Grünflächen und Hecken sowie zum Spülen der Single-Flush-Toiletten verwendet. Sollte es überschüssiges Abwasser geben, wird dieses kontrolliert und durch eine Versickerungsgalerie in den Boden infiltriert.